Okt 312011
 

Das Wollschaf fragt heute:

In den letzten Jahren scheint mir das „Lockerstricken“ richtig in Mode gekommen zu sein. Damit meine ich nicht (oder nicht nur) die Tatsache, dass Nadelstärken und Maschenproben von einigen Herstellern oft in einem Bereich angegeben werden, der vor zwanzig Jahren als utopisch oder lächerlich bezeichnet worden wäre. Dies ist ein anderes Thema.

Viel mehr geht es um andere Dinge: Einige Garne, insbesondere sog. Designer-Garne, sind bei genauer Betrachtung nur für Lockerstricker wirklich geeignet – nicht nur Feststricker, sondern auch Normalstricker haben einfach keine Chance, damit umzugehen; viele (immer mehr?) Modelle sind ebenfalls nur für Lockerstricker umsetzbar und gewollt lasch; fertiges Gestrick hängt durchscheinend an Schaufensterpuppen. Viele Strickerinnen, schaut man in Blogs nach ihren Werken, scheinen das Lockerstricken zu begrüßen und gern einzusetzen.

Mich würde interessieren, was am Lockerstricken und am lockeren Gestrick für sie so reizvoll ist. Ist es das Materialersparnis? Gefällt den Lockerstrickern das lichtdurchlässige, im Maschenbild oft weniger regelmäßige Ergebnis etwa wirklich? Und warum?
Was ist dran, am Lockerstricken?

Vielen Dank an Martine für die heutige Frage!

Meine Antwort:

Das sind gleich drei Fragen, die du stellst. Du meinst den Einsatz von dicken Nadeln und relativ dünnem Garn? Dann kann ich sagen: Der Fall der Kleidungsstücke ist ein anderer. Das ist Geschmackssache. Du musst es nicht nachmachen. Ich nehme immer die Kombi von Nadeln und Garn, deren Ergebnis *meinen* Wünschen entspricht. Da muss man notfalls umrechnen, um eine Anleitung passend zu machen.

Bei kommerziellem Stricken könnte der Garnverbrauch eine Rolle spielen. Und mit weniger Maschen geht es schneller. Aber es kommt auch etwas drauf an *welche* Teile man strickt. Guter Fall ist z. B. bei Tüchern wichtig, während es bei Jacken eher auf korrekten Sitz ankommt. Man kann den Fall nicht nur durch die Nadelstärke, sondern auch durch die Wahl des Materials beeinflussen. Aber ich kann einem Material durch die geeignete Nadelstärke auch einen anderen Fall geben. Und ein dritter Grund: das Gestrick wird leichter, wenn viel Luft drin ist.

Die andere Frage wäre: Warum gibt es Garne, die nur Lockerstricker verarbeiten können? Ja, das gibts. Leitergarn z. B. Als ich noch fest gestrickt habe, kam ich damit gar nicht zurecht. Aber heute halte ich es für ziemlich überflüssig. Ich habe meine Vorräte damals verschenkt, als ich noch fest gestrickt habe. Aber bisher habe ich es noch nicht vermisst.

Ansonsten stricke ich heute locker aus ganz anderen Gründen: Die Hände bleiben entspannter, es gibt weniger Schmerzen in den Gelenken, die Verspannungen im Schulterbereich sind weniger. Ich bin froh, dass ich mich umerzogen habe. Und mit Lockerstricken meine ich in dem Fall, dass die Maschen locker auf der Nadel sitzen. Welche Art von Gestrick ich damit bekomme, hängt eher von der Dicke der Nadel ab. Ich kann locker stricken, und doch ein festes Maschenbild erreichen (Socken), und ich kann locker stricken, und ein lockeres Maschenbild erreichen (Spitzentücher).

Die dritte Frage, die du ansprichst, aber nicht wirklich stellst, ist eigentlich eine andere: Warum sind die Angaben der Hersteller so verrückt? Ich denke da insbesondere an Garne aus dem angelsächsischen Raum, wo man den Eindruck hat, dass die Leute noch mehr am Faden ziehen müssen als ich während meiner Feststrickphase (damals Sockengarn für Socken mit Nadel 2,75 – 3,15). Liegt das am „katholischen“ Stricken (Faden mit der rechten Hand um die Nadel werfen)? Ich würde sagen: „Jede Jeck ist anders“, und ich weiß nicht, wer die Teststücke für die Firmen macht (vor allem, ob die von mehreren Strickerinnen testen lassen, bevor sie was draufschreiben). Ich weiß mittlerweile, dass ich fast immer 1-3 Nummern kleiner wählen kann, als die kleinste angegebene Nadelstärke. Früher wusste ich, dass ich außer bei englischen Garnen immer die größte angegebene Nadelstärke, oder sogar noch eine Nummer größer wählen musste.

Die beste Lösung für all diese Geheimnisse heißt: Maschenprobe. Maschenprobe, um zu erkunden, ob ich mit dem Garn zurechtkomme. Ob mir seine Optik gefällt. Bevor ich eine große Menge davon kaufe. Maschenprobe, um den Fall des Gestricks meinen Wünschen anzupassen. Maschenprobe, um die für mich richtige Nadelstärke zu finden.

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